Geschichte des Judo

Historische Wurzeln

Die Wurzeln von Judo lassen sich wahrscheinlich weit über 1500 Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen. Das Ursprungsland Japan hat eine von vielen jahrhundertelangen Kriegen gezeichnete Geschichte. Vor allem im 15. und 16. Jahrhundert gab es unzählige Machtkämpfe zwischen weitgehend autonomen Fürstentümern.

In den Jahrhunderten, in denen Kriege geführt wurden, entwickelten sich zahlreiche Formen des Kampfes mit und ohne Waffen. Diese Kampfformen wurden ab der Mitte des 16. Jahrhunderts formalisiert und durch die Ryu-ha (Kampfkunstschule, Kampfkunststil) strukturiert überliefert. In diesen Ryu-ha wurde den bewaffneten Ständen, den Samurai, neben dem Schwertkampf und dem Bogenschießen auch der waffenlose Kampf, das JuJutsu (je nach Schule auch Yawara oder Tai-Jutsu genannt) weitergegeben. Die Weitergabe erfolgte in der Regel streng geheim. Das Wissen wurde verschlüsselt in Schriftrollen, Densho genannt, oder nur mündlich (Kuden) weitergegeben.

Jujutsu wurde in erster Linie als Ergänzung zum Waffenkampf, insbesondere zum Schwertkampf, gelehrt. Schon damals entwickelte man Wurftechniken, Gelenkhebel, Würgetechniken sowie Schläge, Stöße und Tritte. Würfe waren oftmals mit Hebeln oder Schlägen und Stößen gekoppelt und hatten nicht unbedingt das Ziel, den Gegner auf den Rücken zu werfen, denn auf dem Schlachtfeld war das Ausschalten des Gegners wichtiger als ihn kontrolliert zu werfen.

In der Zeit ab 1868, der Meiji-Restauration, schaffte der Kaiser Meiji das Ständesystem ab und beschnitt damit empfindlich die Privilegien der Samurai.

Jigoro Kano

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Jigoro Kano (1860-1938)

Jigoro Kano (1860-1938) wurde am 28. Oktober 1860 in Mikage, einem heutigen Stadtteil von Kobe geboren. Seine Familie war äußerst wohlhabend. Kanos Vater übernahm große Regierungsaufträge und wurde später als hoher Beamter von der Regierung eingesetzt.

Kano erhielt die beste Ausbildung, die in der damaligen Zeit in Japan möglich war. Dieser soziale Aufstieg war nur möglich, weil das Ständesystem kurz zuvor abgeschafft worden war, denn die Familie Kano stammte nicht von einer Samurai-Familie ab. Er studierte Literatur, Politik und Volkswirtschaft und schrieb sich für weitere Studien in Ästhetik, Moral und Pädagogik ein.

Gegen den Widerstand seines Vaters, der Kampfkünste für rückständig hielt, begann Jigoro Kano im Alter von ungefähr 17 Jahren mit dem Studium der Tenjin-shin’yo-ryu. Nach dem Tod seines Meisters lernte er in der Kito-ryu weiter. In beiden Schulen erreichte er das Menkyo-Kaiden, die uneingeschränkte Lehrerlaubnis.

Zu Kanos Erstaunen gab es große Unterschiede zwischen der Tenjin-shin’yo-ryu und der Kito-ryu. Die Erstere beinhaltete neben Würfen viele Hebel, Würgegriffe, Schläge und Tritte, jedoch waren die Wurftechniken der Kito-ryu, vor allem die Sutemi-Waza, sehr viel ausgefeilt, so dass Kano sie fasziniert studierte.

Die Anfänge

Im Mai 1882 eröffnete Kano sein erstes Dojo und gab ihm den Namen Kodokan (wörtlich „Halle zum Studium des Weges“). Er mietete Räume im Eishoji-Tempel in Tokio. Das als Trainingsraum genutzte Zimmer diente gleichzeitig als Studier-, Schlaf- und Empfangszimmer und hatte eine Fläche von nur rund 20 qm. Kano hatte in den ersten beiden Jahren nur sehr wenige Schüler und wurde als Kampfkunstexperte von der Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen.

Leben, Lernen und Trainieren waren damals eng miteinander verflochten. Ein Teil der Schüler lebte im Dojo und genoss eine umfassende Erziehung durch Kano. Ein spartanischer, streng reglementierter und ritualisierter Lebensstil wurde als wertvoll für die Charakterbildung betrachtet. Das moralische Prinzip, Ji-Ta-Kyo-Ei, obwohl erst später formuliert, dürfte hier schon seinen Ursprung gehabt haben.

Im Jahr 1884 war der Entwicklungsprozess des von Kano gelehrten Kampfstils so weit fortgeschritten, dass er damit begann, die Prinzipien des neuen Kampfsystems in der Satzung des Kodokan-Dojos festzuhalten.

„Durch das Vereinen all der Vorteile, die ich verschiedenen Schulen des Jiu Jitsu entnommen habe, und durch das Hinzufügen meiner eigenen Techniken habe ich ein neues System der Körperertüchtigung, des mentalen Trainings und des Wettkampfs gefunden. Dieses System nenne ich Kodokan-Judo.“ (Jigoro Kano)

Jigoro_Kano_and_Kyuzo_Mifune_(restoration)

Jigoro Kano und Kyuzo Mifune

1886 gewann der Kodokan einen durch die Kaiserliche Polizeiverwaltung angeordneten Entscheidungskampf zwischen damals führenden und rivalisierenden Kampfkunstschulen. In der Folge wurde Judo offiziell in die Ausbildung der Polizei und auch in die Schulausbildung integriert.

In den folgenden Jahren vervollkommnete und ergänzte Kano sein Judo weiter. Die erste Go-Kyo, die Systematisierung der Würfe, wurde geschaffen und die großen Haupt-Kata des Judo formuliert.

Im zweiten Weltkrieg, nach den Tod Kanos 1938 wurde der Kodokan von nationalistischen Strömungen unterwandert. Der Kodokan diente unter anderem als Akademie für japanische Offiziere. Nach dem Sieg der Alliierten 1945 wurde der Kodokan, wie auch die meisten anderen Kampfkunstschulen, deshalb auf Anordnung der Amerikaner geschlossen. Insgeheim wurde aber weitertrainiert.

Der Weg nach Deutschland

Der erste Kontakt nach Deutschland lässt sich auf das Jahr 1906 zurückführen. Japanische Kriegsschiffe kamen zu Besuch nach Kiel und führten dem deutschen Kaiser ihre Nahkampfkünste vor. Wilhelm II. war begeistert und ließ seine Kadetten im Judo unterrichten.

In Deutschland entstanden kurz darauf die ersten Judo-Schulen. Aufgrund einiger Missverständnisse, die wohl hauptsächlich auf Erich Rahn zurückzuführen sind, wurde dort statt Judo aber eher eine Art Jiu-Jitsu unterrichtet. Die ersten echten Judoschulen im Sinne Kanos entstanden erst im Jahre 1932 unter dem Einfluss der London Budokwai unter Gunji Koizumi. Die Pioniere der damaligen Zeit in Deutschland waren Alfred Rohde und Heinrich Frantzen.

1933 wurde Judo von den Nationalsozialisten in den Deutschen Reichsbund eingegliedert und die Lehre zur paramilitärischen Ausbildung missbraucht. In Folge dessen wurde Judo nach dem zweiten Weltkrieg auch in Deutschland durch die Alliierten verboten.

Nach der Aufhebung des Verbotes wurde in der ehemaligen DDR bereits ab 1949 wieder systematisch Judo trainiert und 1950 die ersten Meisterschaften ausgetragen. Der Deutsche Judo-Verband der DDR (DJV) wurde offiziell 1958 gegründet. In der Bundesrepublik begannen erste Aktivitäten erst wieder mit der Judo-Sommerschule 1951. Die Gründung des Deutschen Judo-Bundes (DJB) erfolgte im Jahr 1953 durch Mitglieder des 1952 gegründeten Deutschen Dan-Kollegiums (DDK). 1990 vereinigten sich der Deutsche Judo-Bund der BRD und der Deutsche Judo-Verband der DDR zum heutigen Deutschen Judo-Bund.

Judo wird olympisch

Zu Ehren Japans war Judo 1964 erstmal als olympischer Sport bei den Olympischen Spielen in Tokio zu sehen. Nach einer Pause im Jahr 1968 gehört Judo seit den Olympischen Spielen 1972 in München zum festen Programm. Bis 1988 war olympisches Judo eine reine Männerdomäne. Erst seit den Spielen 1992 in Barcelona gehören auch Wettkämpfe der Frauen zum festen olympischen Programm.

JM 09/2008

JM 09/2008

Bisher konnten deutsche Athleten fünf olympische Goldmedaillen gewinnen. Die Gewinner sind Dietmar Lorenz (1980, DDR), Frank Wienecke (1984, BRD), Udo Quellsalz (1996), Yvonne Bönisch (2004) und Ole Bischof (2008).

Heute wird Judo in fast allen Ländern der Welt ausgeübt und ist eine der am weitesten verbreiteten Kampfsportarten. Von den Mitgliederzahlen her ist der Deutsche Judo-Bund heute der zweitgrößte Kampfsportverband in Deutschland.

„Judo ist – in letzter Konsequenz – der höchst wirksame Gebrauch von Geist und Körper zu dem Zweck, sich selbst zu einer reifen Persönlichkeit zu entwickeln und einen Beitrag zum Wohlergehen der Welt zu leisten.“ (Jigoro Kano)